Background Image
Previous Page  11 / 32 Next Page
Information
Show Menu
Previous Page 11 / 32 Next Page
Page Background

11

42 Schüler in Reihen auf

Schulbänken aus Holz

Als man nach einigen Jahren „seine

Schule“ mit einer anderen zusammenle-

gen und ihn zum Schulleiter machen

wollte, lehnte er ab. „Ich wollte nie zu

einer Institution werden!“, schmunzelt

er. Und so wechselte er die Schule und

führte dort sogleich Integrationsklassen

ein. Was heute nur mit einem hohen

schulpolitischen Aufwand möglich ist,

hat er auf kurzem Dienstweg erreicht:

eine Klasse mit 20 Schülern, davon maxi-

mal drei mit Behinderung, je einem Klas-

senlehrer und Sozialpädagogen sowie

einem Psychologen. Das war damals

geradezu Luxus – hatte er doch in der

alten Schule noch 5. Klassen mit 42 Schü-

lern auf alten Schulbänken in Reihen un-

terrichtet. Heute haben wir es in der

Regel mit Klassenstärken von maximal

30 Schülern zu tun.

Auch heute gibt es das schulische Unter-

stützungssystem, welches aus Psycholo-

gen und Diagnostikern für besondere

pädagogische Förderbedarfe besteht.

Viele Schulen verfügen darüber hinaus

sogar über einen Sozialarbeiter. Was

heute selbstverständlich ist, hat Alfred

Seyffarth gewissermaßen entwickelt.

Mit Schülern auf Du und Du

Und Alfred Seyffarth wurde nicht müde,

Schule immer wieder neu zu gestalten.

So führte er Gruppenarbeit ein und war,

nicht immer zur Freude seiner Kollegen,

der unkonventionelle Typ, der auch mal

in kurzer Hose zum Dienst erschien. Als

er seinen Schülern das Du anbot, gab es

einen Aufschrei an der Schule. Ich frage

ihn, wie das war, nun mit den Schülern

auf Du-und-Du zu stehen. „Ich habe nie

disziplinarische Probleme mit meinen

Schülern gehabt. ImGegenteil. Durch das

Angebot, mich duzen zu dürfen, habe ich

sogar in ihrer Achtung gewonnen!“

Beratungslehrer – heute

so wichtig wie gestern

Daran änderte sich auch 1966 nichts, als

Alfred Seyffarth Schulleiter wurde. „Wir

waren immer ein tolles Kollegium!“, sagt

Alfred Seyffarth, der nicht nur eine be-

sondere Nähe zu seinen Kollegen, son-

dern auch zu Eltern und Schülern aufge-

baut hatte. Um diese Fähigkeit auch in

schwierigen Situationen bestens nutzen

zu können, war er einer des ersten Durch-

gangs der Zusatzausbildung „Beratungs-

lehrer“. Auch diese gibt es heute noch.

Sie heißen Vertrauens- oder Beratungs-

lehrer und sind Ansprechpartner für

Schüler, Eltern und Lehrerkollegen. Dar-

über hinaus gibt es heute noch Fach-

oder Unterrichtsberater. Sie sind zustän-

dig für die Qualitätsentwicklung des

Unterrichts und beschäftigen sich mit

der Frage, was unsere jungen Menschen

neben gut anwendbaren Fachkenntnis-

sen noch benötigen, um im Leben mit

ihremWissen bestehen zu können. Schu-

le soll auf das Leben vorbereiten und

individuelle Kompetenzen eines jeden

einzelnen Schülers entwickeln – eben

ganz im Sinne von Alfred Seyffarth …

Gern hätte ich noch lange mit ihm über

all seine Erlebnisse und Erfahrungen im

Schuldienst gesprochen. Es war ein inter-

essantes Gespräch mit einem ehemali-

gen Lehrer und Schulleiter, der keinen

Tag des Schulalltages bereut und sehr

gern noch über das 65. Lebensjahr hin-

aus gearbeitet hätte.

Eigentlich stellt sich die Frage gar nicht,

aber sie rutscht mir dann doch heraus:

„Würden Sie heute wieder Lehrer mit

Auto werden wollen?“ Die Antwort

kommt ohne jedes Zögern: „Ja! Selbst-

verständlich!“

n

Andrea Vogt-Bolm

Heute unterstützt

Alfred Seyffarth

gerne das Team in

der Bibliothek.