RundumdenGlockenturm /Mai 2015
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Titelgeschichte
Berufe imWandel
Schiffsmakler, ständiger
Begleiterausder Ferne
Den Hamburger Hafen kennt Gerd
Meißner als Kapitänssohn gut, auch
noch aus der Zeit der 50er und frühen
60er Jahre, alsesdortnoch„vollerMen-
schen war, die Tag für Tag zur Arbeit
gingen, man den Geruch von Öl und
fremdländischen Gewürzen, Getreide
und Kaffee und den dröhnenden Lärm
–ein ständigesTack-Tack–derNiethäm-
merder Schiffswerften spürte“.
Gerd Meißner, Mitglied des Kollegiums
der Oberalten, ist Schiffsmakler inHam-
burg und das seit über 35 Jahren. Seine
Kontakte, ebensowie„seine“Schiffeund
ihre Ladungengehen indieganzeWelt,
von Shanghai bis Chile, von Norwegen
viaRotterdambisKarlsruhe. „Als Schiffs-
makler muss ich immer ein Ende an der
Handhaben: entweder denReeder, des-
sen Schiff Ladungen übernimmt, oder
denVerlader, dereinSchiff sucht.“Ange-
fangenhatMeißnermitderBefrachtung
kleinerKüstentanker, heute sindeswelt-
weit fahrendeTanker, dieSäure,Öleund
Chemikalien transportieren. Inden jewei-
ligen Häfen wird die Ladung gelöscht,
die Tanks werden für die Weiterfahrt
gereinigtundmitneuenProduktenbela-
den–Türkei,Odessa,Ägypten,Griechen-
land, Indien – zwischendurch muss
ungeheuer viel organisiertwerden.
Time isMoney
Früherwaren Fernschreiber und Telefon
seine wichtigsten Arbeitsmittel. Heute
sind es 300 bis 500 E-Mails, die Tag für
Tagauf seinemPCeingehen–Kurzinfor-
GerdMeißner
MitglieddesKollegi-
umsderOberaltendes
Hospitals zumHeiligen
Geistund seitmehr als
35 JahrenSchiffsmakler
inHamburg
mationen zuaktuellen Schiffspositionen
und Ladungen, für deren Transport ein
Schiff gesuchtwird. Esmuss alles zusam-
menpassen, Ladung und Schiff müssen
genauzur richtigenZeitam richtigenOrt
sein. Daher ist es wichtig, die Abferti-
gungbeim Laden und Löschen so effek-
tivwiemöglichzugestalten. Leerfahrten
(Ballastreisen) zwischen Lösch- und La-
dehäfensolltensokurzwiemöglichsein.
Ausder FerneLösungen finden
Der Job ist hart und anstrengend, die
Konkurrenz groß. Alles muss schnell ge-
hen,wieanderBörse.Mailswandernhin
undher,gleichzeitigwird telefoniertund
miteinander gesprochen. Probleme und
Zwischenfällemüssen schnellgelöstwer-
den, auchnachtsoderamFeiertag. „Man
braucht eiserne Nerven und muss auch
mitNiederlagen leben“, sagtMeißner.
Im stetenKontakt zumSchiff
HeutehatsichMeißnermitseinerPartne-
rin Britta Müthel, die ebenfalls Schiffs-
maklerin ist, vom Nerven aufreibenden
„Spot-Geschäft“zurückgezogenundkon-
zentriert sich auf das Zeitcharter-Ge-
schäft. „Seine“Schiffe liegenMeißneram
Herzen, das spürtman, da er sie vonder
Konstruktionüber denBau inChinaund
die Finanzierung vermittelnd begleitet
hat. Erweiß jederzeit,wo sie sichaufden
Weltmeeren gerade befinden. Während
des Gesprächs sind wieder Dutzende
Mails eingegangen. Ob ihn das beunru-
higt, frage ich. „Nein, aber ich schau spä-
ternochmal rein“, antworteter.
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