Glockenturm-Juni_2015 - page 10-11

RundumdenGlockenturm / Juni 2015
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Lebenbei uns
Lebenbei uns
Hospizarbeit – ein Wort, das bei den
meisten Menschen zunächst Unsicher-
heit, Unbehagen und Angst auslöst, an
Tod und Sterben denken lässt. Umso
überraschenderwar dieBegegnungmit
Annegret von Freyberg. „Im Mittel-
punkt unserer Arbeit steht das Leben
und nicht der Tod“, sagt die ehemalige
Kinderkrankenschwester, die vor 10
Jahren dieHospizgruppe gründete.Wir
sprachen mit ihr über ihre erfüllende
Arbeit imHospital zumHeiligenGeist.
Es ist einAuftrag, sichauch für andere
Menscheneinzusetzen
Gab es für Sie einen Anlass, einen
Beweggrund, sich als Hospizbegleiterin
ausbildenzu lassen?
AlsKinderlebte ichwiemeineGroßmutter
in ein Seniorenheim kam und dort sehr
liebevoll gepflegt und umsorgt wurde.
Diese Erfahrung hat mich beeindruckt –
und sicher zu meiner Entscheidung, in
derHospizbetreuung zuarbeiten, beige-
tragen. Darüber hinaus empfinde ich es
aber auch als Auftrag und Aufgabe im
Leben, sich für andereMenschen einzu-
setzen. Es wird eine Menge für Kinder
getan, aber zuwenig füralteMenschen.
Lebensqualität erhalten
Was sehen Sie als Ihre Hauptaufgabe
inderHospizarbeit?
Wir sehen uns nicht als Sterbe-, sondern
als Lebensbegleiter. Vom Abschied aus
der eigenenWohnungundder Entschei-
dung in einHeim zu ziehen, bis hin zum
Abschied vom Leben – die letzten Jahre
gestalten sich als Leben der Übergänge.
Viele ältere Menschen haben gerade in
dieser schwerenZeitkeineFamilie,Ange-
hörige oder Freunde an ihrer Seite. Sie
sind allein und auf sich gestellt. Unser
Anliegen ist es, vor allemdieseeinsamen
Menschen zu begleiten und dazu bei-
zutragen, ihre Lebensqualität in diesen
Monatenund Jahrenzuverbessern.
Einfachnurda sein
Wiegestaltet sich IhreArbeit?
Wir besuchen die Bewohner regelmäßig
einbiszweimalwöchentlich füretwaeine
Stunde. Zunächst einmal sindwir einfach
nur da. Wir versuchen, die Bedürfnisse
unseres Gegenüber zu erspüren. Wir
sprechen, hören vor allem aber aktiv zu
und nehmen Anteil an den Problemen
der Bewohner. So entsteht mit der Zeit
eine innige und vertrauensvolle Bezie-
hung, inderwirNäheundGeborgenheit
vermittelnunderleben.
RückblickaufdasLeben
Welche Wünsche und Themen stehen
bei IhrenBesuchen imMittelpunkt?
Oft drehen sich die Gespräche um den
Rückblick auf das eigene Leben. Was ist
gut gelaufen? Und was hätten wir uns
anders gewünscht? Natürlich sprechen
wir auch über das Sterben, den Tod, die
„Lebens-Sattheit“. Durch die offenen
GesprächeverlierenTabu-Themenhäufig
an Dramatik. Einige Besucher suchen
weniger denAustausch in der Unterhal-
tung, sondern freuen sich vielmehr über
gemeinsamesSingen,Kartenspielenoder
bitten uns, ihnen etwas vorzulesen. An-
dere möchten die gemeinsame Zeit
schweigend verbringen und wünschen
sich Nähe durch Körperkontakt. Die
Bedürfnisse sind so unterschiedlich wie
die Menschen selbst. Ein Bewohner
wünschte sich noch einmal auf St. Pauli
Labskausessenzugehen, sowieer esein
Leben lang getan hatte. Wir haben es
geschafft,dieszuorganisieren.Es tutgut,
Wünscheerfüllenzukönnen.
DieFreude istder schönsteLohn
Was gibt Ihnen die Kraft für diese
Tätigkeit?
Einmal imMonat treffen sich alle Ehren-
amtlichen zur Supervision. Hier gibt es
Raum,Problemeanzusprechen,Erfahrun-
genauszutauschen, TrauerundFreudezu
teilen. Die größte Kraft und Motivation
für unsere Arbeit aber geben uns die
ErlebnissemitdenBewohnern.DieDank-
barkeit und Freude über unseren Besuch
und die innigen Beziehungen sind der
schönsteLohn fürunsereTätigkeit.
Gibtesbesonders schöneErlebnisse, die
Sieerinnern?
Eine Bewohnerin, die lange Zeit sehr
distanziert war, sagte eines Tages zum
Abschied „Nehmen Sie mich doch bitte
einmal in den Arm“. Wenn sich Vorsicht
und Distanz in der Beziehung auflösen
und diese Art der Nähe entsteht, ist es
besondersberührend.
Es tutgut, einenTeildeseigenenGlücks
weiterzugeben
Zur Zeit arbeiten siemit 44Kolleginnen
inderHospizbegleitung.WeitereEhren-
amtliche für die Betreuung werden
dringendgesucht.Woraufkönntenneue
Team-Mitglieder sich freuen?
Wir lernen inunsererArbeit, ohneAngst
bis ans Lebensende zu denken. Der
UmgangmitThemenwieLiebeundHoff-
nung, Sterben, LebenundTod, lässteinen
dieWeltunddas eigeneLebenmit ande-
ren Augen sehen. Als Hospizbegleiterin
ist es unsereAufgabe, uns immerwieder
auf andere Menschen einzulassen, sie
ohne Bewertung und Vorbehalt so
zu nehmenwie sie sind. Das ist auch für
das eigene Leben eine tolle Erfahrung,
dennMitmenschlichkeit isteineBereiche-
rung. Es tut gut, ein wenig Zeit zu ver-
schenken und einen Teil des eigenen
Glücksweitergebenzukönnen.
n
AdrienneFriedlaender
10 JahreHospizbegleitung imHospital
zum HeiligenGeist
von linksnach rechts:
GertrudKirsch,
Annegret vonFreyberg,
SabineFalke
Trauercafé
AbschiedvonderWohnungundder
Umzug insSeniorenheim, der Todeines
Angehörigen–es tutgutmit anderenMen-
schenGedanken, LeidundTrauer zu teilen.
Das Trauercafé ist einoffenesAngebot fürMenschen,
diemit TrauerundVerlustumgehenmüssen.
WannundWo:
DasCafé findet jeweils am letzten
Donnerstag imMonat imHausOrchidee statt.
Annegret vonFreybergund ihr TeamundTrauer-
begleiterinPetraReinecke freuen sichauf IhrenBesuch.
„ImMittelpunktunserer
Arbeit stehtdasLeben“
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