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Rund um den Glockenturm · April 2018

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Moment mal

Liebe Leserinnen, liebe Leser!

Es beginnt zu grünen und zu blühen in der Natur.

Was für eine unbändige Kraft bricht sich da Bahn

aus der Tiefe der Erde! Wie schaffen es diese zu-

nächst winzigen Keime, harte Erd- und Laubschich-

ten, manchmal sogar Asphalt zu durchstoßen, um

sich unter dem lichten Himmel zu entfalten? Sich

besonnen und beregnen zu lassen? Und uns damit

zu erfreuen und uns neu an unsere Kraft und Le-

bensfreude zu erinnern?

Und am 1. April ist Ostern! Eine wunderbare Gele-

genheit, mit einem Oster-

lacher zu beginnen. Fragt

eine Frau einen berühmten

Theologen: „Werden wir auch

wirklich im Himmel alle unsere

Lieben wiedersehen?“ „Ja;“ sagt der Pfarrer, „aber

die anderen auch …“ – Immer wieder fallen mir zu

den Festzeiten bewegende Texte in die Hände. Einen

Text und ein Gedicht, das ich verfasst habe, möchte

ich mit Ihnen teilen.

Zum Schluss eine richtige Ostergeschichte: Ein jun-

ger Pastor hat seine erste Stelle angetreten, ausge-

rechnet als Gefängnisseelsorger. Und just zu Ostern

soll er dort seine erste Predigt halten. Er ist mächtig

aufgeregt. Als er die Stufen zur Kanzel hinaufstei-

gen will, stolpert er über seinen Talar und stürzt pol­

ternd die Stufen hinunter. Die Menge grölt. Doch

der Pastor besinnt sich einen Moment, läuft die Stu-

fen hinauf zur Kanzel und ruft: „Leute, dazu bin ich

gekommen, um euch zu zeigen, dass man wieder

aufstehen kann, wenn man gefallen ist.“

Damit grüße ich Sie herzlich!

n

Pastorin Katja Oldenburg-Luckey

Das Kreuz wird grünen und blühen

Je mehr du in die Liebe hineinwächst, in die Botschaft Jesu,

um es so ungeschützt traditionell zu sagen, desto verletzli-

cher machst du dich. Du wirst einfach angreifbarer, wenn du

sichtbar geworden bist oder wenn „das von Gott“ in dir auf-

leuchtet. Wenn du dein Leben verteilst, statt zu horten, dann

wird das große Licht in dir sichtbar. Zwar gehst du in Einsam-

keit hinein, verlierst oft Freunde, einen Lebensstandard, einen

Beruf oder eine sichere Karriere, aber zugleich veränderst du

dich. Und das Kreuz, dieses Zeichen der Isolierung, der Schan-

de, des Verlassenseins, wird in diesem Prozess der Baum des

Lebens, ohne den du gar nichts mehr sein magst. Das tote

Marterholz fängt an zu grünen. Und du weißt auf einmal, wo

du hingehörst.

Das Leben zu wählen heißt, das Kreuz zu umarmen. Es heißt,

das Kreuz, die Schwierigkeiten, die Erfolglosigkeit, die Angst,

allein dazustehen, in Kauf zu nehmen. Die Tradition hat uns

nie einen Rosengarten versprochen. Das Kreuz zu umarmen

bedeutet heute, in den Widerstand hineinzuwachsen. Und

das Kreuz wird grünen und blühen. Wir überleben das Kreuz.

Wir wachsen im Leiden. Wir sind der Baum des Lebens.

Dorothee Sölle: Es muss doch mehr als alles geben,

S. 131, ©1992 by Hoffmann und Campe Verlag, Hamburg.

Ostergrün

Endlich

ist er gekommen,

der Frühling –

kalter Wind zwar noch

aber Vogelstimmen

tiefes Himmelsblau

wärmende Sonnenkraft

bunte Blüten

zarte Blätter.

Ich löse

die obersten Knöpfe meines Mantels

mache das Herz weit

schüttele die schweren Steine hinaus

erinnere mich,

dass auch ich singen kann

und neu beginnen –

und spüre meine Seele grün werden –

grasgrün!

Katja Oldenburg-Luckey