

Rund um den Glockenturm · Mai 2016
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Rubrik
Natur & Gesundheit
Maiglöckchen –
oh, wie das duftet
Ob es nun der betörende blumig-würzi-
ge Duft ist oder die Liebe, die das Herz
höher schlagen lässt, mag jeder selbst
entscheiden. In Frankreich ist es Brauch,
seiner Geliebten, Freundin oder seiner
Frau (wobei die Reihenfolge egal ist)
zum 1. Mai ein SträußchenMaiglöckchen
zu schenken. Ein hoffnungsloser Realist,
wer nur Geschäftemacherei dahinter
vermutet, dass in einer Gärtnerei im
französischen Bordeaux auf 18 Hektar
Maiglöckchenkeime produziert werden,
die auf 4 Hektar (das sind 40.000 m2!)
unter Folie pünktlich zum 1. Mai blühen-
de Maiglöckchen hervorbringen. Noch
heute wird traditionell dem Pariser Bür-
germeister am 1. Mai ein Strauß Mai-
glöckchen überreicht.
Auch rund um Hamburg hat man früher
für den Hamburger Blumengroßmarkt
Maiglöckchen herangezogen. Heute ist
die Maiglöckchen-Keimerei nur noch
Liebhaberei und steht laut Profigärtne-
reien in keinem Verhältnis mehr zur
Nachfrage und der Preis in keiner Relati-
on zum Aufwand. Schade! Aber Roman-
tik hin und her: Das kleine Blümchen,
das am liebsten in lichtem Schatten auf
nährstoffreichen Böden wächst, gilt
noch immer als Glücks- und Liebessym-
bol. In der Blumensprache sollen Mai-
glöckchen „innige Liebe“ ausdrücken.
Das Grün der Blätter steht dabei für
Hoffnung, das Weiß der Blüten signali-
siert höchste Reinheit.
Das alles darf aber nicht darüber hin-
wegtäuschen, dass Maiglöckchen ei-
gentlich sehr giftig sind. Bei versehent
licher Aufnahme von Blüten oder
Früchten sollte man vorsichtshalber ei-
nen Arzt rufen, da es bei übermäßigem
Verschlucken durchaus zu Herzstillstand
kommen kann. In einigen Krimis von
Agatha Christie wird sogar mit Mai-
glöckchen-Wasser gemordet! Aber – wie
bei so vielem im Leben – bei richtiger
Dosierung und Anwendung diente es
den Ärzten in Zeiten des frühen Huma-
nismus als Herzstärkungsmittel.
Und sogar die Traumdeutung hat sich
etwas zum Maiglöckchen ausgedacht:
Wer von Maiglöckchen träumt, dem soll
ein wunderbares Liebesabenteuer bevor-
stehen, das aber schnell ein schmerzli-
ches Ende erfahren wird. Also: Lassen Sie
uns nicht von diesen schönen Blümchen
träumen, sondern stellen wir uns ein
Sträußchen in die Vase und erfreuen uns
an ihrem herrlichen Duft.
n
Andrea Vogt-Bolm
Die zauberhaften
glockigen Blüten des
Maiglöckchens erfreuen
uns in jedem Jahr als
zarte Boten des Früh-
lings. Die zur Familie
der Spargelgewächse
zählende, gesellig
wachsende Pflanze ist
jedoch durchaus giftig.
In England nennt man es „Lily of the valley“ – was so viel bedeutet wie „Lilie des
Tales“. In demMonat, in dem der Liebesgott Amor bekanntlich seine dicksten Pfeile
abschießt, blüht und duftet das Maiglöckchen in vollen Zügen.