Glockenturm_07-08_2015_FB - page 16

RundumdenGlockenturm · Juli/August 2015
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Gesundheit&Natur
Gibt man im Internet den Suchbegriff
„Schmerz“ein, findetmanüber1Million
Ergebnisse. Fragtman einKind „was ist
Schmerz?“ antwortet es „wenn was
wehtut…!“Überlegenwir einmal, was
alles wehtun kann. Wilhelm Busch
dachtewohl als erstes an Zahnschmer-
zen. Mir fallen spontan die Phantom-
schmerzenein,mitdenen ichbeiPatien-
tenbesuchen fast täglich zu tun habe.
Abermir tat auchdas Herzweh, als ich
einen altenMenschen im drittenOber-
geschoss seinerWohnungbesuchte, die
er nach der Amputation eines Ober-
schenkels seit Jahrennichtmehr verlas-
senhatte.
Schmerzhat sounendlichvieleFacetten
Körperlichergreifterunsmalganzplötz-
lich, manchmal langsam, mal piekend,
mal dumpf-bohrend. Oft überwältigt er
unsoderreißtunsnieder.Aberwerkennt
nicht auch „den anderen Schmerz“, den
seelischen, der als leise Melancholie
daherkommt, oder den Schmerz, der als
Trauer inderAbschiedsstimmung lauert.
Aber auch in Resignation und Enttäu-
schung verbirgt sich der Schmerz. Und
kaum einMensch auf Erden kennt nicht
den herzzerreißenden und vernichten-
den Schmerz beim Verlust eines gelieb-
ten Menschen. Doch auch die Begeg-
nungmit eigenemVersagen,mit Schuld,
Fehlern und Versäumnissen verursacht
Schmerz. Erstaunlich! Warum bezeich-
nen wir das Empfinden, das wir haben,
wenn wir uns den Fuß verstauchen,
genauso wie das Empfinden von Ver-
zweiflung, Kränkung oder Verlust? Ist
der Schmerz etwas, das uns sagen will,
dass etwas nicht stimmt? Schmerz tut
Schmerz–Eineetwas
andereBetrachtungsweise
weh. Wir empfingen ihn als sehr unan-
genehm und wollen ihn möglichst
schnellwieder loswerden.
Lässt sichSchmerzmessen?
Gewebeverletzungen und die damit
verbundene Reizung der Schmerzrezep-
toren können objektiv gemessen wer-
den. Das Erleben des Schmerzes aber
kann kein anderer nachempfinden oder
messen. Das Besondere am Schmerz ist
also, dass er etwas ganz PERSÖNLICHES
ist. AuchdiepsychischeDimension spielt
einebedeutendeRollebeim Schmerz. Er
tritt nie „nur“ reduziert, sondern immer
inBegleitungdes seelischenEmpfindens
undErlebens einesMenschenauf.
Waswill der Schmerzuns sagen?
SchmerzdientdemÜberleben.Wie fatal
wärees,wennerunsnicht zurückzucken
ließe,wennwirunsereHandaufdiehei-
ße Herdplatte legen? Und erwartenwir
nicht sogar vomSchmerz, dasserunsda-
rauf aufmerksam macht, wenn unsere
Gesundheit in Gefahr ist? Eine Erkran-
kung, die sich überhaupt nicht bemerk-
bar macht, bezeichnen wir als
heimtückisch. Sie hat sich durch
ihren Vorboten, den Schmerz,
nichtangekündigt.Auch,wenn
er uns quält – er ist einwichti-
gerBote inunseremLeben.
n
Andrea Vogt-Bolm, Leiterin der
BeratungseinrichtungAMPUVITA
e.V.mitAMPUKIDS
AndreaVogt-Bolm
„Schmerzen sind
unangenehmund
wollenbeseitigt sein,
dochsindsiezugleich
BotendesKörpers
undder Seele.“
WilhelmBusch
„Mitunter sitzt dieganzegroßeSeele /
IneinesZahnesdunklerHöhle!“
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